Guten Morgen liebe Sorgen

Tag 2

Ein neuer Tag beginnt. Schatzi streichelt mir kurz den Rücken. Dann geht er wieder. Aus dem Wohnzimmer kommen piepsige Kindergeräusche von unserer kleinen zweijährigen Sonne. Unter meinem linken Flügel liegt das Nesthäkchen, siebeneinhalb Monate alt, und schläft noch ganz friedlich, nachdem es sich letzte Nacht drei mal hungrig an meiner Brust hat schmecken lassen. Mein Körper ist steif. Die Knie tun weh. Meine Augen fühlen sich geschwollen an. Ich will nicht aufstehen. Ich muss. Also schleiche ich mich vorsichtig aus dem Bett und tapse ins Bad. Mein Spiegelbild lässt mich kurz erschrecken. Bin ich das? Man siehst Du scheiße aus, denk ich so zu mir und schaue wieder weg. Nach einer Katzenwäsche schleiche ich weiter ins Wohnzimmer.

Und da ist sie. Unsere kleine freche Sonne Frida. Sie lächelt mich vergnügt an und begrüßt mich in ihrem lilafarbenen Schlafhemd. Sooo süß 🙂 Der Papa ist schon im Morgenmodus und bedient das kleine Kinderherz mit Milch, Kakao, Becher und Spiel-Kanne. Und wie jeden Morgen ist es nicht zu vermeiden, dass mit mehr als einem Gefäß plus Flüssigkeit tiefsinnig und mit viel Freude experimentiert wird. Doch für ihn scheint, wie fast alles übrige, was mit Kindern und Familie zu tun hat, auch dieses morgendliche Ritual völlig neu und unvorhersehbar zu sein, denn die Pfütze aus Kakao und Wasser wird knurrend weggewischt. Ich bekomme eine Tasse frischen Kaffee mit Milch und Zucker, so wie ich ihn mag. Danke, Schatz. Ich schaue auf die Uhr, 6:26 Uhr. Bevor ich einen ersten Schluck nehme kann, gehe ich hoch und wecke die beiden Großen. Die Morgensonne scheint durch die Süd-Ost-Fenster in deren Zimmer. „Aufstehen! Es ist schon halb sieben.“ Beide schlafen wie Steine. Nichts rührt sich. Ich gehe wieder runter zu den beiden anderen und meinem Kaffee. Ich erzähle von dem Start meines Blogs und nehme einen beherzten Schluck aus meiner Tasse. Begeistert öffnet ihn mein Mann auf seinem iPad. Er findet es gut. Doch der Horizont vom Bild ist schief. Er sieht jetzt nur noch den schiefen Horizont, sagt er und richtet seine Brille, als hätte sie magische Eigenschaften und könne die digitale Schieflage wieder gerade rücken. „Das ist ein Foto aus unserem Urlaub. Der Schuh am Ostseestrand ist von Artur.“, sage ich. Jetzt weiten sich seine Pupillen und ja, das Bild sähe plötzlich fast aus wie eine Mac-Vorlage, wenn nur der Horizont gerade wäre, ergänzte er. OK. Er ist und bleibt wohl mein schlimmster Kritiker. Sei es drum. Ich werde das jetzt hier durchziehen. Der Kaffee ist stark. Ich muss auf’s Klo. Wieder im Wohnzimmer höre ich ein zartes Husten aus meinem Schlafzimmer. Der Kleine ist wach. Mein Kaffee wird egal. Ich hatte ja schon das Vergnügen meine Geschmacksknospen damit zu benetzen. Muss reichen.  Ich gehe rüber. Da schauen mich zwei große süße Augen unter einer zerzausten Frise an. Ein breites großes Grinsen sagt mir zusammen mit einem niedlichen „Aaaaah“ ‚Guten Morgen‘. Ich bin echt total verknallt. Total, total, total. Das erinnert mich an den Film ‚Störche – Abenteuer im Anflug‘, wo die Alpha-Wölfe das Baby nicht fressen sondern es abschlecken und sagen, es schmeckt nach Blümchen <3 <3 <3 Und ja, es stimmt. Babys schmecken nach Blümchen, Kuchenteig und Vanillepudding.

7:00 Uhr, mein acht-jähriger Wirbelwind kommt die Treppe runter gedonnert. Tatatataaaa, steht er da, grinst und strahlt über beide Ohren. „Guten Morgen, Artur!“, „Guten Morgen, Mama!“. Er nimmt Anlauf in Richtung Couch, wo ich es mir mit dem Baby gerade gemütlich gemacht habe. „Halt! Schau auf die Uhr! Es ist schon spät. Bitte nimm Dir Zwieback und frühstücke.“ Artur macht, wie ich ihm geheißen habe. Frida ist mit ihrem Papa nach oben gegangen. ‚Hoffentlich denkt er auch daran sie mit anzuziehen, wenn er schon mal dabei ist.‘, denke ich mir so. Sie kommen wieder runter und natürlich ist sie immer noch ein Nackedei. Jetzt, wo sie Artur mit einer Schüssel Zwieback sieht, will sie natürlich auch welche. Eigentlich ist keine Zeit; es ist 7:15 Uhr. Der Papa macht dann aber doch, was seine Prinzessinnen will. Konsequenz will eben gelernt sein. Währenddessen ziehe ich den Kleinen auf dem Teppich an und mein Mann Frida am Tisch beim Essen. „Keine Zeit mehr. Wir müssen noch zum Bäcker. Wir haben keine Brötchen! Schuhe an!“, rufe ich wie ein Hahn beim morgendlichen ‚Kikiriki‘. Ein geordnetes Chaos versammelt sich im Flur. Erst jetzt kommt das dreizehn-jährige Teenie-Morgen-Muffel-Monster die Treppe hinunter geschlurft. „Tschüß.“, sagt sie ohne vorher ‚Guten Morgen‘ gesagt zu haben. „Bitte nimm Dir was zu trinken und zu Essen mit.“, forderte ich sie besorgt auf. „Hab ich schon.“, fuhr sie mich an und zeigte mir eine angefangene Zuckerwasserflasche mit Geschmack vom Vortag, die sie sich wahrscheinlich von ihrem Taschengeld gekauft hat. Auf die Frage, was sie den ganzen Tag essen wird, antwortet sie, sie isst in der Schule zu Mittag. Das reiche ihr. Sie stolpert frisch gestylt die Treppe hinunter. Ich rufe ihr hinterher, dass ich kein Verständnis dafür habe, wenn sie in der Schule wieder Schwindelanfälle bekäme, wenn sie so leichtsinnig ohne Essen im Bauch morgens das Haus verlässt. Morgen nehme ich mir zum x-ten Mal vor, die Kinder früher zu wecken. Eigene Wecker haben nicht funktioniert. Der Ton gefiel ihnen nicht und irgendwann waren die Batterien leer. Andreas schlägt begeistert nasse Waschlappen vor. Ich denke darüber nach. Jetzt aber schnell. Alle runter. Artur holt sein BMX, ich verfrachte die beiden Kleinen im Fahrrad-Anhänger und verstaue Mappe und Sportbeutel im Kofferraum. Endlich rollen die Räder. Noch ein letzter Kuss am Tor und Schatzi muss zum Auto. Auf ihn warten sechzig Minuten Fahrt zur Arbeit von Köpenick nach Mitte. Zum Glück liegt die Zeit bereits hinter uns, wo er sich und uns noch davon hat den Morgen verderben lassen und missgestimmt den Tag begann. Heute weiß er inzwischen auch die guten Seiten zu schätzen, die es mit sich bringt, eher im grünen Süden Berlins zu wohnen und dafür lieber etwas weiter weg zur Arbeit zu fahren. Damals, vor dreieinhalb Jahren, schmierte er uns diese sechzig-minütige Autofahrt hin und zurück jeden Tag vorwurfsvoll auf’s Brot und fügte hinten an, dass ja Hauptsache die Kinder nur noch aus dem Bett zu fallen bräuchten, um zur Schule zu kommen und er ungerechterweise seine wertvolle Zeit unnütz am Steuer verbrächte, bevor er überhaupt zum Arbeiten käme. Zum Glück liegt das hinter uns.

7:40 Uhr, es klingelt. Artur schließt sein BMX im Schulhof an. Alles klar. „Sei schön fleißig!“, rufe ich ihm noch zu, dann verschwindet er im Schulgebäude. Weiter geht’s. Mit den Babys im Anhänger fahre ich weiter zur Kita an den Ziegen und Schafen vorbei entlang der Wuhle. Schön ist es hier. Das viele Grün, der Fluss, die Luft, die Entschleunigung. Die beiden glucksen hinter mir zufrieden während ich dem geteerten Radweg am Wasser folge. Angekommen. Vollgekrümelt vom frischen Brötchen, hebe ich meine Fridali raus und setze Friedrich auf meinen linken Hüftknochen, wie immer. Alles läuft rund. Sie freut sich auf ihr zweites Frühstück. Es gibt Brötchen mit Honig. Noch ein letzter Kuss für die Mutti und nun wieder raus zum Fahrrad Richtung nach Hause radeln.

Das war ein ganz normaler Morgen, wenn nicht gerade Ferien sind oder Wochenende.

Macht’s gut Ihr Lieben und bis bald.

Eure Maria

Bildquelle: privat

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